An Easter Tribute to Henry Miller
Musik, Bild und Text: Ewart Reder unter Verwendung einer Tonaufnahme aus dem Kloster Hagia Maria in Paleokastritsa, Kerkyra
An Easter Tribute to Henry Miller
Musik, Bild und Text: Ewart Reder unter Verwendung einer Tonaufnahme aus dem Kloster Hagia Maria in Paleokastritsa, Kerkyra
Wenn die Vögel singen und der Holunder blüht, bereiten volljährige Teenager sich auf das Abitur vor. Genauer der aufstrebende Teil derselben. Die Wahrheitsdrohne fliegt irritiert zwischen rauchenden Köpfen einer Lerngruppe hin und her. Die Frühlingssonne wurde als Einladung missverstanden, sich im nasskalten Gras eines Parks niederzulassen. Wer eine Blasenentzündung kriegt, nimmt den Nachschreibtermin, notfalls den zweiten. Es geht ins schriftliche Deutsch-Abi.
Woyzeck hat eine Persönlichkeitsstörung, stellt Sarah fest. Wegen der Erbsen, erläutert Tobias. Mir schmecken die auch nicht, fühlt Berzan sich in den Protagonisten ein und will sein Urteil begründen: Kennt ihr Erbsensuppe? Alina bleibt bei der Persönlichkeitsstörung: Der dreht am Rad, weil die Alte ihm fremdgeht. Versteh ich sogar irgendwo. Alina hat sich von ihrem Freund getrennt, um besser fürs Abi lernen zu können. Ihr Exfreund lernt Mechatroniker, versteht nicht, was Abitur bedeutet. Leider wird Alina jetzt nicht zum „Ball des Heeres“ nach Berlin fahren, wo ihr Exfreund mit ihr tanzen wollte, bevor er zur Bundeswehr geht. Sarah hingegen hat ihren Freund noch. Der will zur Polizei. Mein Freund müsste diese Erbsendiät machen, ruft Sarah, weil man beim Lernen auch mal einen Witz macht. Vielleicht würde er dann den Body-Mass-Index der Polizei schaffen. Ja, macht der keinen Sport oder was? Doch, aber es reicht nicht. Schweigen. Pessimistische Vergewisserung: Mit Abitur kann man erst mal studieren und irgendwas wird man dann schon, sagen alle. Und man verdient besser.
Irgendwas mit Gesellschaft war da noch, mahnt Tobias. Die Gesellschaft ist auch schuld. Ja, weil da gabs diese Stände, pflichtet Alina bei. Der obere Stand hat die Unteren diskriminiert. Und was war noch mal dieser Pauperismus? Keine Ahnung, Sarah muss passen. Den hab ich schon in Geschi nicht kapiert, da kam der auch vor. Pauperismus bedeutet Armut, erklärt Berzan. Die Ernten waren schlecht und es gab noch keine Supermärkte, wo man das Essen von woanders kaufen konnte. Ich kapier nicht, warum wir diese uralten Bücher lesen, beschwert sich Sarah. Das betrifft uns doch alles gar nicht. Gibts denn keine neuen Bücher oder sind die alle zu schlecht oder was? Das sind Klassiker, bremst sie Berzan. Außerdem, wollen wir jetzt lernen oder über die Schule diskutieren? Genau, meint Tobias. Drei Gründe reichen normalerweise. Erbsen, Eifersucht, Gesellschaft. Auf, weiter. Was war los mit diesem Faust?
Schweigen. Faust ist dieses Jahr der Unbeliebteste. Man erlebt eine Zeitenwende, es herrscht Inflation und dann läuft da ein Professor her, ist verbeamtet, verdient sechstausend brutto aufwärts, vögelt eine Vierzehnjährige, aber heult von Anfang bis Ende nur rum.
Tobias sucht die nächste Trias: Faust macht drei Entgrenzungsversuche – welche sind das? Alina traut sich: Zaubern, Osterspaziergang, Teufelspakt. Was ist an einem Spaziergang entgrenzend? fragt Berzan. Keine Ahnung, Alina klingt beleidigt. „Vor dem Tor“ heißt das Kapitel, also vielleicht: Er geht durch ein Tor. Er geht aus der ollen Studierstube raus. Immerhin geht er mal vor die Tür. Macht er ja sonst nicht. Sarah will jetzt auch einen Witz machen: Und braucht nicht mal den Hund dafür, weil der Pudel ist ja schon draußen. Nee, Leute, Tobias ist unzufrieden. Magie okay, Teufelspakt okay, aber da war noch was Drittes. Suizid! ruft Alina. Wieso Suizid? zweifelt schon wieder Berzan. Das ist doch die Grenze, da kommt doch nichts mehr. Oder doch? fragt Sarah. Ach so, wie in Reli meinst du, denkt sich Alina fächerübergreifend hinein in Sarah und weiter bis in Faust und hört plötzlich aus der benachbarten Kirche den Kirchenchor, der für den Ostergottesdienst probt: Christ ist erstanden! O nee, greift Tobias an seine Stirn, können wir weiterziehen? Das nervt jetzt echt, wenn man sich konzentrieren will. Man packt die Sachen und zieht in den hinteren Teil des Parks, wo nur noch die Vögel singen, die ihren Text geheim halten.
Es kann aber auch ein Zeitungsartikel drankommen, schockt Alina die Mitlernenden. Ja, oder sieben verschiedene Zeitungsartikel, setzt Sarah noch sechs drauf: bei „materialgestütztes Schreiben“. Tobias fällt rücklings in Gras, reckt die Arme gen Himmel: Wer liest bitte im einundzwanzigsten Jahrhundert noch Zeitung? Dann sitzt er wieder und berichtet von einer verstörenden Erfahrung: Ich hab die Woche dem Nachbarn seine aus dem Briefkasten geklaut. So vor dem Abi mal eine, dacht ich. Kein Wort hab ich verstanden, Leute, ich schwöre. Um lauter B-Promis gings da, die keiner kennt, die irgendwelche Sachen gesagt haben, die keinen interessieren und das Ganze nennt sich Politik. Nee, wenn das kommt, gleich in den Papierkorb.
Und wenn noch ne Gedichtinterpretation dabei ist?
Dann halt das dritte.
Der innere Frankfurter ist von einem unerklärlichen Alter, stellt die Wahrheitsdrohne fest, als sie die Überschrift einer Email der Polytechnischen Gesellschaft überfliegt: „Paulskirchen-Jubiläum – Zeitzeugen gesucht“. Viele Häuser in Frankfurt sind schön, weil sie aus der Paulskirchenzeit stammen, in der die Handwerker noch Muße hatten zu ihrer Arbeit. Von der Paulskirche aus fliegt die Wahrheitsdrohne konzentrisch in den Frankfurter Speckgürtel. Hier sind die Häuser von einer Hässlichkeit, die sie zur freistehenden Existenz zwingt, damit die Hässlichkeit zwischen ihnen Platz findet. Die Wahrheitsdrohne fliegt in den Gastraum eines Eiffler-Systembäckers und kreist über einem Ehepaar, das frühstückt.
Na, ich bring den jetzt mal weg. Er geht drei Schritte, dreht sich um: Zu viel des Guten. Guck dich mal um, was da noch kommt. Muss alles noch auf den Tisch drauf.
Nach drei weiteren Schritten bringt er die letzte Aktivität des Tages zu Ende. Es ist 11:40 Uhr Ortszeit. Er stellt den seiner Meinung nach überflüssigen Teller in das Fach einer Geschirrrückgabe, dreht sich um und schafft es mit nur fünf Schritten zurück auf seinen Stuhl.
Jetzt wird gegessen. Das gibt Sicherheit. Beim Essen kommt alles zu dir, du musst wenig machen.
Er isst jetzt. Das sieht sehr sinnerfüllt aus, bietet allerdings wenig Unterhaltung. Das Leben ist nicht zum Spaß da. Er will jetzt Verschiedenes haben. Servietten fehlen.
Ich geh mal Händewaschen, sagt sie, wird aber auf halbem Weg zurückgerufen. Da sind keine Servietten. Da hinten sind welche.
Ja, ich geh nur eben …
Er hat sich jetzt beinahe dreihundertsechzig Grad umgedreht, erst nach Servietten, dann nach ihr. Was soll er denn noch machen? Einfache Dienste sind sofort zu leisten. Macht sie auch. Ist ja kein großer Umweg, da sind die Servietten. Ja, sagt er. Da sind sie. Das Leben plant noch so viele Anschläge auf ihn heute, an Kleinigkeiten kann er sich da nicht freuen. Das muss ja noch nicht das letzte sein, was fehlt, sagt er, gespannt, ob sie sich davon festhalten lässt an seinem Tisch, an dem nichts los wäre, wenn sie auf dem Klo wäre.
Sie geht trotzdem. Das, weiß sie, hat keine Konsequenzen. Die kleinen Freiheiten sind das Lösegeld für ihre Persönlichkeit, die sie lange genug als Geisel genommen hatte, obwohl sie rechtmäßig ihm gehört. So oder so ähnlich hat er ihr das mal erklärt.
Der Andreas ist jetzt mit der Roxy zusammen, berichtet sie ihm als erstes nach ihrer Rückkehr. Ja gut, lautet die Antwort. Er muss halt aufpassen.
Die Roxy, sag ich dir mal ganz ehrlich, kann froh sein, was sie da gekriegt hat. Das hat die vorher ja noch nie gehabt.
Ich weiß.
Du musst auch mal das Haus sehen, das der Andreas gebaut hat. So über der Firma angefangen hat das im ersten Stock und nachher sind zwei komplett neue Häuser dagestanden auf dem Hof. Das bewohnt die jetzt alles mit. Wenn das mal gut geht.
Sicher. Das musste können, sonst ist in nem halben Jahr alles kaputt und kein Geld da zum Reparieren. Handwerker sind auch keine. Das Frankfurter Pack interessiert das nicht, die lachen über uns, aber das ist mir egal. Gib mir mal die Butter da. Die iss doch übrig.
Ja, vielleicht die Hälfte?
Mit halben Sachen wollen wir gar nicht erst anfangen. Gib mir mal den Salzstreuer.
Den hat der Vorige hier stehenlassen.
Na komm, wie der auch schon ausgesehen hat.
Aber jetzt haben wir nen Salzstreuer und müssen nicht aufstehen und einen holen. Sieh es doch mal so.
Das ist Zufall. Wenn ich da auch noch drüber nachdenken müsste, könnt ich gleich den Löffel abgeben. Gib mir mal die Wurst.
Es ist ein Geben und Geben wie im Kuhstall beim Melken. Er würde aber auch selber nicht drankommen an die Sachen. Wenn er die Arme ganz ausstreckt, kann er die Hände gerade auf den äußersten Wulst seines Speckgürtels legen. Das macht er manchmal. Dann sieht er angestrengt aus wie andere beim Arbeiten.
Der will jetzt das Bad neu machen, der Andreas. Ich weiß nicht, wie der das machen will. Vielleicht mit den grauen Fliesen, die hast du doch damals auch …
Nur für die Duschwanne.
Ja, richtig. Nee, für das andere sind die nichts, hast recht. Ja, sowas weiß der vielleicht gar nicht.
Jede Fettzelle war früher ein Alptraum, ist genau gesehen immer noch einer, der aber eingeschlossen im Fett seinen Schrecken in Bewegungslosigkeit getauscht hat. Seit der Gürtel ihn aus seinen Alpträumen rettete, bewegt sich nichts mehr in ihm. Er kann seine Kräfte darauf konzentrieren, dass sich auch außerhalb von ihm möglichst wenig mehr bewegt, jedenfalls nicht in seine Richtung. Außer Essen.
Es ist eine Krankheit, sagen alle, die ihn sehen, und bemitleiden ihn. Es ist das Beste für dich, sagte die Krankheit und befiel ihn. Die Liebe seines Lebens.
Was ihn wahnsinnig machen würde, wenn er es wüsste, ist, dass er in seinem Inneren wie Frankfurt ist: Wenn er sich umsieht von seinem Panzerturm aus, sieht er nicht sich, sondern immer nur den Speckgürtel um sich und das hat dazu geführt, dass sein Denken von seinem Speckgürtel übernommen wurde, während sein Inneres in eine immerwährende Abwesenheit gefallen ist und er es nicht mehr spürt.
© Ewart Reder
Im Haushalt tue ich, was ich kann. Was zugegeben nicht viel ist. Es geht aber nicht nur um das Was, finde ich, wichtig ist auch das Wie eines Tuns. Wenn ich zwei Adjektive nennen sollte, um die Art und Weise meiner Haushaltstätigkeit zu beschreiben, wären es „zuverlässig“ und „freudvoll“. Zuverlässig, weil ich, wenn ich das auch nicht mehr machen würde, als faul gelten könnte. Freudvoll, weil ich mich durch mein Tun minutenlang unangreifbar fühle. Aber ich sehe grad, die Spülmaschine möchte was zu dem Thema sagen:
Na ja, mich würde er eh im nächsten Satz erwähnen. Bin ich es doch, worauf seine Haushaltstätigkeit sich im Grunde beschränkt. Genauer eine Hälfte von mir: mich ausräumen. Wohin Geschirr und Besteck gehören, hat er auf rätselhafte Weise herausgefunden. Okay, nicht dass da nicht anschließend jedes Mal die obligaten Siebensachen noch rumliegen würden, die entweder angeblich neu oder deren Plätze angeblich seit je ungeklärt seien. Oder dass die Chefin nicht „zuverlässig“ ihre mindestens drei Ablageüberraschungen erleben würde jedes Mal. Aber gut, sehen wir es mal nicht so eng. Das macht er und das kriegt er irgendwie hin. Mich einräumen hingegen will die Chefin lieber selbst. Das mache er, wenn er es macht, auf so charakteristische Weise falsch, sagt sie, dass sie ihn dabei jedes Mal wieder kennenlerne. Was offenbar nicht ihre vorrangige Absicht ist. Dabei habe er doch seinerzeit, sagt die Chefin, das Auto, als man noch eins gefahren sei, so vorzüglich beladen jedes Mal vor der Urlaubsreise.
Ein Autokofferraum, wenn ich das einwenden darf, hat auch keine drei unterschiedlich hohen Fahrkörbe mit Features wie Klappstachelreihen für Teller, Tassenetageren, gezackten Kappenleisten mit Gläsersymbol und nicht zu vergessen Korbrollen, weil sonst die Dinger nicht fahren würden. In einen Kofferraum stellt man Sachen mehr oder weniger einfach rein. Wie übrigens auch in einen Geschirrschrank oder ein Tassenregal. Darüber hätte die Chefin mal nachdenken können: Warum kriegt er das hin? Was genau ist beim Mich-Einräumen das Kriterium, das er mit seinem Kenntnisstand und seinen motorisch-kognitiven Fähigkeiten unweigerlich reißen muss? Es hat etwas mit den Vorgaben zu tun, die ich für die Platzierung von Gegenständen in mir mache. Da kann man nicht einfach so angewuchtet kommen und irgendwelche Koffer noch im Laufschritt mit Schwung … Neee. – – – Da braucht es ein ausgeruhtes Auge. Einen kühlen Kopf. Jahrzehnte Erfahrung. Räumliches Vorstellungsvermögen gepaart mit im Laufe der Jahre unverrückbar gewordenen Grundsätzen, einer festen Reihen- und Rangfolge der zu berücksichtigenden Objekte sowie zu guter Letzt das berühmte Fingerspitzengefühl. Das fehlt den Männern ja so bemitleidenswert generell.
An der Stelle mache ich einen Perspektivwechsel. Bis hierher habe ich ausgeführt, wie sich die Dinge aus Sicht der Chefin ausnehmen und wie ich sie mit ihr gewöhnlich bespreche. Das spiegeln wir jetzt mal. Mich-Einräumen aus Sicht der männlichen Hilfskraft. Ganz einfach: Was drin ist, steht nicht mehr rum. Was zu spät kommt, bleibt draußen und fährt beim nächsten Mal mit. Merken Sie was? Die zwei Perspektiven sind miteinander prinzipiell unvereinbar. Das ist Krieg bis zum letzten Teelöffel ohne jede Chance auf eine Verhandlungslösung. Schade nur, dass die beiden das weder kapieren noch irgendeine Neigung entwickeln, ihre Unterschiedlichkeit als Reichtum zu erleben. Auch schade übrigens, dass sie entschiedene Gegner von smart home sind. Für mich wäre smart home die einzige Chance, mich über meine Beobachtungen mit einem intelligenten Gegenüber auszutauschen. Und für die beiden wäre die Chance noch größer: dass nämlich ein Konsilium aus kompetenten Küchen-, Büro-, Unterhaltungs-, Sport- und Erotikgeräten ihre Probleme besprechen und auf dieser Grundlage eine vernetzte Paartherapie entwickeln sowie durchführen könnte.
Neulich war ich in Kassel, weil ich sie noch mal sehen wollte, die documenta fifteen, falls es sie denn noch gab. Kunstausstellungen werden ja gerne verboten. Obwohl das Totschmähen und -schweigen doch effizienter ist (fernwestliche Weisheit). Tatsächlich habe ich sie bei bester Gesundheit angetroffen:
Guten Morgen, Herr Ewart Reder. Guten Morgen, Herr Volker Beck. Guten Morgen, Herr Sascha Lobo. Möge das Geschenk des Wassers Gottes Liebe aus Ihrer Dusche auf Sie herabregnen lassen. Der Süden hat eine Neuigkeit für Sie: Man muss Wasser gar nicht heizen. Das tu ich gern: teilen, was die ganze Welt weiß außer ein paar Gesellschaften, die sich als Vorleger des Bettes definieren, in dem das Geld mit sich selbst schläft – teilen mit diesen Gesellschaften. Lumbung, die Reisscheune, ist groß genug für alle. Auch für jüdische Menschen selbstverständlich und ganz besonders. Zweitausend Jahre Vertreibung, Ausgrenzung und Vernichtung sichern ihnen die Anteilnahme und Solidarität aller Menschen, von denen viel zu viele Vergleichbares erlebt haben. Nicht Gleiches. Begriffe machen Besonderes gleich, darum erzähle ich lieber. Dass ich Fehler mache, weiß ich, bevor ich sie mache, darum tun sie mir aber nicht weniger leid hinterher. Vielleicht wussten manche nicht, dass der Staat Israel, der viel Gutes hat, seine Regierung und seine Armee Verbrechen begehen. Dann kommt hier die nächste Neuigkeit aus dem Süden: Alle Staaten, Regierungen und Armeen tun das. Und wieder erzähle ich lieber: Deutschland unterstützt, bewaffnet und befähigt damit die Türkei, Volksgruppen in ihrem Südosten und außerhalb ihres Staatsgebiets anzugreifen. Übrigens: Von Opfern dieser Aggression stelle ich eine Kunstdefinition aus, ein Mann aus Rojava erklärt die traditionellen Liebeslieder seines Landes folgendermaßen: Alles hat zu tun mit der Schönheit der Frauen, die alles um sie herum in Schönheit verwandelt und damit in Kunst. Wie gesagt, ich mache Fehler – du darfst auch welche machen. Hiermit spreche ich Menschen an, die das bestehende Weltverhältnis normal und in Ordnung finden. Jede/r kann lernen, sich korrigieren, und ich persönlich will das mehr als alles andere. Lernen. Wie ich zum Beispiel selber gerechter werde. Sodass mich auch Menschen ohne Geld besuchen können. Oder dass nicht alles, was es in meiner Nähe zu essen gibt, das Doppelte kostet wie im Rest von Kassel. Oder dass die sobat-sobat = „Freunde“ = Kunstvermittler:innen nicht die eigenen Masterarbeiten und Kulturkontakte wichtiger finden als die Menschen, die sie führen, oder die Kunst, die sie zeigen. Oder dass die Besucher:innen ihre Meinung sagen können auch außerhalb der spärlichen von mir geschaffenen Gelegenheiten, die gerne weiter geflüstert werden und nur halb öffentlich gemacht. Und dass hoffentlich meine Künstler:innen nicht schon nächstes Jahr das Gleiche sind wie die Auserwählten anderer internationaler Kunstausstellungen: gemachte Leute. Also unecht.
Ich stehe an einem Bahnsteig und versuche, nicht von einem der Tausende neben mir in das Gleisbett gestoßen zu werden. Was es in solchen Situationen nicht gibt, sind ein Zug und die Aushaltbarkeit der Situation. Außerdem hängt hier kein Flachbildschirm, mit dem ich ruhiggestellt werden könnte. Als ich gerade durchdrehe, steht ein überdimensionales automatengedrucktes Neun-Euro-Ticket vor mir in der Luft, flattert mit den Papprändern und schreit mich und die Mitwartenden an:
Hey Leute, habt ihr noch Bock?! Ich hab noch so was von Bock!! Grad mal zwei Monate Wahnsinn und schon wieder seelenruhig zu Hause sitzen?? Niemals!! Aller Wahnsinns Dinger sind drei!! Herein spaziert in die gute Tube, ich spritz euch in den hintersten Winkel Deutschlands!! Nach Sylt? Na warum denn nicht auf die Flachwichser-Pflegeinsel! Zugspitze? Aber ja, immer druff, bisse oben platt iss! Wie bitte?? Ob ich was ohne Ausrufezeichen sagen könne.
Klar:
Fällt – heute – aus. Grund dafür ist ein kurzfristiger Personalausfall. Wir bitten um Entschuldigung.
Hintergrund: Das Personal sitzt kurzfristig in der Klapsmühle. Ja Leute, ihr müsst auch nicht alle gleichzeitig. Das funktioniert doch nicht. Werdet mal ein bisschen digitaler. Schwarmintelligenz – schon mal gehört? Der Provinz auch mal die Chance geben. Oder mal Mittwoch Mitternacht. Stattdessen quetscht ihr euch alle dahin, wo es nett ist, und nur am Wochenende. Werktags, die ganzen Berufspendler – die braucht doch keiner. Nehmt einfach deren Züge, möglichst mit Fahrrad, dann habt ihr ganz schnell eure Ruhe und die Industrie auch. Bloß weil dreimal so viele Leute Zug fahren, lassen wir doch nicht mehr Züge fahren. Und wenn wir sie hätten – das würden wir nie tun!
Ich sage „wir“, weil ich ein Ministerkind bin. Ich regiere mit. Wusstet ihr eigentlich, dass mein Dad, der Volker, ein richtiger Spaßvogel ist? Er gilt als langweilig, aber das Gegenteil ist wahr. Ein Lauser ist das, ein Streichemacher. Der freut sich total über mich. Ihr wisst ja nicht, wie langweilig regieren ist. Da muss man mal was Verrücktes machen wie mich. Also der Volker ist zufrieden mit mir. „Du hast einen Modernisierungsschub ausgelöst“, sagt er zu mir. Komplimente muss man nicht verstehen. „Durch dich ist der ÖPNV digitaler geworden.“ Kapier ich auch nicht. „Einfacher geworden.“ ?? „Stärker auf die Fahrgäste ausgerichtet“. ??? „In weniger als 0,1 Prozent der Züge musste das Sicherheitspersonal eingreifen.“ Das stimmt, weil in weniger als 0,1 Prozent der Züge irgendwelches Sicherheitspersonal auftaucht. Egal, der Volker hat einen englischen Nachnamen, auf Deutsch bedeutet er: der Wissende. Vor allem freut sich der Volker über mich und das ist es, was für ein Kind zählt.
Ich bin sogar ein bisschen stolz auf mich. Im Grunde bin ich der westdeutsche Mauerfall. Auf einmal können die Menschen reisen! Die Mauer der Armut um sie ist gefallen (für einen Sommer). Jetzt sehen sie das Land, das sie bisher nur aus dem Westfernsehen kannten. Sogar die Gefängnisse werden bald leer sein in Deutschland. Fünfzigtausend Menschen sitzen gerade in einem deutschen Knast, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten. Die häufigste dieser Strafen ist die fürs Schwarzfahren.
Zum Schluss verrate ich euch noch ein Geheimnis. Aber bitte sagt es nicht dem Volker. In Wirklichkeit hat mich Robert Habeck gezeugt, und zwar im Auftrag der Automobilindustrie. Kein Autofahrer, der für neun Euro mal mit einem Regionalzug gefahren ist, traut sich das jemals wieder. Zum Psychiater geht er: Herr Doktor, habe ich das alles geräumt? Und dann rennt er ins nächste Autohaus.
Heute hat meine Bierflasche das Wort. Von dieser Stelle aus haben schon so viele Sachen gesprochen und meine Bierflasche musste still zuhören, durfte nicht mucksen (oder glucksen), wurde nicht nach ihrer Meinung gefragt. Das macht was mit einer Bierflasche. Ich spüre es. Wir kennen uns ja schon lange. Stehen uns nahe, sage ich mal. Ehe ich also noch richtig Ärger kriege mit ihr: Bühne frei für meine Bierflasche – prost!
Ja, prost. Und dabei immer schön in die Augen geschaut!
Wen oder was habe ich vor mir?
Ich blicke auf einen Schädel mit geöffnetem Mund. Rein oder nicht rein?, das ist hier die Frage. Die Original-Hamletfrage ist übrigens keine Entscheidungsfrage, wie viele denken, sondern eine Frage der Bewertung. Was ist schlimmer?, fragt Hamlet sich. Und frage ich mich. Zweierlei Übeln stehe ich gegenüber: dem Verschmäht werden – vielleicht das Schlimmste, was Flaschen und Menschen überhaupt kennen – oder alternativ dem Verschluckt werden von einer fremden, unappetitlichen und obendrein undurchsichtigen Macht.
Ich stelle mir aber noch mehr Fragen. Am Anfang eines Dates mit dem Kerl stelle ich andere Fragen als in der Mitte oder am Ende.
Anfangs, wenn ich noch voll bin, gucke ich seinen Schädel an und frage mich: Ist er schon voll oder ist es noch früh am Abend? Was war schon alles und was kommt noch? Eine Bierflasche weiß, dass sie nicht die Einzige ist im Leben eines Mannes. Wir stehen in einer langen Reihe von Erfahrungen, die für unsere Männer sein müssen. Eine Bierflasche kapiert so was. Es ist nicht Eifersucht, was ich empfinde, sondern Unsicherheit, welche Rolle ich für ihn spielen werde. Traut man uns Bierflaschen gar nicht zu, aber wir sind sensibel und beziehungsorientiert, typische Melancholiker.
Wenn ich nur noch halb voll bin, gucke ich ihn an und stelle den Fragen-Klassiker: Halb voll oder halb leer? Da wirds zwischen uns richtig emotional. Stehen wir uns jetzt näher, sind wir uns ähnlicher geworden, seit die Hälfte von mir ein Teil von ihm ist? Seine Blicke sagen eindeutig: Ja. Wenn es nicht Liebe ist, mit was er mich anguckt, dann auf jeden Fall etwas mir inhaltlich Vertrautes. Eine Wärme, wie sie inzwischen auch in mir herrscht. Eine innere Weichheit, wie auch ich sie hinter dem harten, dunklen Glas meines Äußeren verberge. Ein leicht bitterer Beigeschmack – er nennt ihn „das Leben“, ich sage „Hopfen“ dazu, aber das sind nur Äußerlichkeiten zwischen zweien, die ihr Inneres miteinander teilen.
Am Ende, wenn ich leer bin, werden meine Fragen grundsätzlich. Ist die Leere in mir gleich der Leere in ihm? Eine Leere, die mir von Geburt, oder sagen wir „ab Werk“, fremd ist – woher habe ich sie? Entstand sie nicht durch ihn? Und ist es dann abwegig, ihn als Quelle und Urheber meiner Leere wahrzunehmen? Verhält es sich allerdings so, muss ich feststellen, dass zwischen uns ein für mich unvorteilhafter Tausch stattgefunden hat. Ich gab ihm alles, was ich hatte und was er im Übrigen durchaus zu schätzen weiß. Er gab mir im Austausch dafür seine Leere und guckt enttäuscht durch mich durch, während ich umgekehrt durch ihn jetzt weniger durchblicke als je zuvor. Der Eindruck verdichtet sich noch, wenn er anfängt mit mir zu reden und sich unzutreffender Weise von mir verstanden fühlt.
Mein Fazit als Bierflasche lautet: So oder so ist er mein Schicksal und ob dieses schlimm ist, weiß ich nicht, da ich nichts außer seinen Schädel je kennengelernt habe und mein Schicksal also mit nichts vergleichen kann.
Ursprünglich wollte an dieser Stelle meine Bierflasche sprechen. Aber die kann warten. Wenn etwas in meinem Leben die Gewähr bietet, mir in alle Zukunft treu zu sein, dann ist es die Bierflasche. Daher spricht an dieser Stelle heute mein Balkon. Ich beneide ihn um das, was er erlebt, wenn ich nicht da bin, und habe ihn gebeten, etwas davon mit mir zu teilen.
Was heißt ‚mit dir‘? Das hier lesen Unzählige, die das genauso brennend interessiert.
Ich muss zunächst meine Lage erklären. Aus der ergibt sich nämlich, was ich erlebe: Vis à vis steht ein zweistöckiges Acht-Parteien-Mietshaus mit vier Balkonen. Zwei gucken von oben herab auf mich, zwei auf Augenhöhe zu mir herüber. Auf mindestens einem Balkon sitzt oder steht eigentlich immer mindestens eine Person und unterhält sich, sei es mit einer weiteren Person auf dem Balkon, sei es mit einer Person auf einem anderen Balkon oder sei es auch mit einer auf dem Hof stehenden Person, was dann noch unwesentlich lauter wird. Die vier Parteien, die keinen Balkon haben, stehen meistens auf dem Hof und unterhalten sich, entweder untereinander oder mit einer Person, die allein auf einem der Balkone steht und auch jemanden braucht, mit dem sie sich unterhalten kann. Hier ist eigentlich immer was los.
Aber warum erzähle ich dir das? Du sitzt doch oft genug auf mir, könntest es selber mitkriegen. Ich weiß, du behauptest immer dezent wegzuhören, weil die Mitteilungen deiner Nachbarn dich angeblich nichts angehen und du überdies versuchst dich auf dein Buch zu konzentrieren. Was meiner Meinung nach unmöglich ist bei dem Dauergespräch. In das bin ich und bist gelegentlich auch du akustisch nun mal miteinbezogen. Aber egal, ich erlebe hier schon so einiges.
Oben links die Rentnerrunde zum Beispiel. Saß heute wieder beisammen. Der Mieter ist letztes Jahr in Rente gegangen, die meisten seiner Freunde sind da schon länger. Von denen wird er noch nicht so richtig ernst genommen.
„Na, warste wieder auf der Arbeit?“, fragt einer. „Biste mal wieder hin und hast geguckt, was die so schaffen? Erzähl doch mal.“
„Na ja“, sagt der Mieter, „gestern war ich schon mal wieder da. Die haben so Meetings jetzt, das glaubst du nicht. Geleitet wird das von einem Manager. Der Teamleiter muss kommen, von jedem Team, und die anderen können online teilnehmen, oder sie kommen in die Firma, grad wie jeder lustig ist. Aber glaub nicht, dass da jemand kommt – online. Mein Teamleiter hat das Ganze verpennt, der war zwanzig Minuten zu spät da – online. Da war er dann auch alleine von seinem Team, nee wirklich, das kann sich keiner vorstellen. Na ja, zu essen gabs und zu trinken. Also sagen wir mal: zu essen. Und viele waren da nicht, also gabs genug. Aber sonst, nee ganz ehrlich, keinen Tag zu früh bin ich da weg. Das will sich keiner mehr antun.“
Oder oben rechts, der Ex-Alleinerziehende. Mit den drei alleinerziehenden Töchtern. Eine steht heute im Hof mit ihrem Jungen und klingelt. Opa winkt vom Balkon. Eine Minute später kommt er raus und fragt aufgeräumt: „Und? Wo geht‘s hin? Pizza, Schnitzel, Hamburger?“
„Sorry, wir haben grad gegessen“, sagt die Tochter und steigt ein, als Opas Auto geblinkt und mit einem Stöhnen die Türen aufgemacht hat. Gedankenverloren steigen Opa und Enkel zu.
Aber wo fahren die jetzt hin? Was machen die jetzt – der eine hungrig, die zweite schuldig an der verratzten Unternehmensplanung, der dritte den zwei anderen einfach nur ausgeliefert? Ich werde es niemals erfahren! Manchmal will ich auch gar nicht mehr zuhören. Wenn es spannend wird, gehen die Leute rein und machen die Balkontür zu oder sie steigen in ihre verdammten Autos und streiten sich da drin weiter. Ich wünschte, ich hätte auch so ein Buch, in das ich mich vergraben könnte und so tun, als hätte ich keine Ohren.
Neulich komme ich nach Hause, da guckt mich mein Haus so merkwürdig an. Als ob ich irgendwas falsch gemacht habe. Oder vielleicht ein kompletter Idiot bin. Ich mag so nicht angeguckt werden. Aber ich weiß, dass man sich über Blicke auch schnell mal täuscht. Darum habe ich das Thema offen…
Demonstration kommt von lateinisch demonstrare: zeigen, hinweisen, nachweisen. Logisch gesehen ist das Verb mysteriös. Zeigen tun Zeichen. Wie kann ein Zeichen das, was es zeigt, zugleich nachweisen, sprich beweisen? Wir fragen die Demonstration selbst: Wie machen Sie das? Was ist Ihr Trick? Du kannst du sagen. Ich bin nichts anderes,…
Mittwoch, 2. Februar von 15 – 16 Uhr
Montag, 7. Februar von 16 – 17 Uhr (Wdh.)
Verlorene Fragen treiben auf der trüben Suppe. Aber sie kann trotzdem schmecken und wer will verlorenen Bildern nachtrauern nach einer tiefer unter der Schürze genossenen Wärme? Aber was wird aus mir? Bange Fragen bilden sich neu, steigen an abkühlende Oberflächen. Und was machen sie außer bange?
Die Pandemie hat junge Menschen besonders tief getroffen, verwundet. Sich schützen ist okay, einen anderen Menschen schützen kann das schönste Beginnen sein. Aber was wird aus einem Leben, das noch nichts erfahren hat außer schützenden Aufschub? Das Schönste kann daraus immer noch werden. Sagen zwei Poetinnen, denen ihr heute zuhört, deren Bücher unter eurer Schürze schlagen wollen wie zwei Schwesterherzen: Marica Bodrožić: Pantherzeit (Essay), Safiye Can: Poesie und Pandemie (Gedichte)
© Ewart Reder
FWS aus einem Fenster seines Schlosses blickend: Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, mit denen ich Hartz IV dereinst ersann. Klappts diesmal wohl, die Macht so festzuhalten, dass die Agenda ewig knechten kann? Den Gerhard gibt der Olaf gar nicht schlecht, bei dem ist wenigstens die Glatze echt. Und einen…
© Ewart Reder
I have a girlfriend
we often meet
she does it best
with her 2 feet.
We often fuck
till 3 o’clock
scroll over bedsides
more than websites.
Nach einem Jahr Pause hat die Frankfurter Buchmesse wieder stattgefunden. Hat sie? Klar, stand in der Zeitung. In der, wo Redakteurinnen ihre Artikel im Bett des Chefredakteurs schreiben müssen? In ALLEN Zeitungen stands, du Missbrauchsopfer! Die Buchmesse: Wo die ganze Welt in 20 Hallen über Bücher redet, die sie nicht…
Die Zukunft wird wunderschön
Ich hab auch Abende da möcht ich dass mich ein Kerl anfasst. Da muss nicht immer was passieren ich fass nur gern Männer an die ganze Bettbreite abzüglich Bett am Hals hängen anlehnen Rücken Bauch Hose Hose Hose Hose Hose Hose So halt. Und seine Hände auf mir wo immer…
Die Bundestagswahl ist geschafft. Alle Kanäle quellen von Siegerbildsequenzen über. Die Auswahl an Koalitionen ist Schwindel erregend im doppelten Wortsinn. Beim Zappen treffe ich den Wähler mutterseelenallein vor einer Kamera. Er soll zum Wahlausgang Stellung nehmen. Er nimmt sie:
Der heutige Wahlabend ist ein schwarzer Abend für mich. Also dunkel – nicht schwarz in dem Sinne. Meine Niederlage gilt es unumwunden einzugestehen. Das gebietet die Demut. Ich habe die Wahl verloren, gar keine Frage.
Sechzehn Jahre des Werbens um meine Einsicht waren umsonst. Ich habe die Bundesregierung nicht verstanden. Und das, obwohl Mutti extra langsam mit mir gesprochen und ihr Ablöser sie an Gedankentempo noch untertroffen hat. In der Folge bin ich hoffnungs- und führerlos dem Treiben unbekannter Mächte ausgeliefert. Es ist wie das Ende des Schwarzweiß-Fernsehens, an das ich mich noch traumatisch erinnere: Lauter bunte Farben brechen über das Land herein, paaren sich am hellen Tage miteinander. Als hätte es ein 1957 mit absoluter Mehrheit für die CDU/CSU nie gegeben.
Ich habe halt keine Ahnung von Politik. Und das hat die CDU/CSU unnachsichtig bestraft mit dem Rückzug von ihrer Macht über mich. Zwar redet sie mir noch gut zu, behauptet, am Brunnen vor dem Tore da stehe ein Lindner und träume für mich einen süßen Traum von Jamaica. Aber den verdiene ich nicht. Ich habe einen glasklaren Regierungsauftrag erteilt, und zwar an die Geldwäscherei Scholz & Warburg in Hamburg, Zweigstelle Berlin. Wer so was macht, hat das Vertrauen der CDU auf Jahrzehnte verspielt und keinerlei Anspruch mehr auf ein Bankkonto bei irgendeiner Deutschen Bank.
Auch das Lob dafür, dass ich die Linke halbiert habe, verdiene ich nicht. Denn meine linken Leihstimmen für SPD und Grüne haben der CDU erst den Todesstoß versetzt. Und das Allerperfideste an mir bei meiner Leihstimmenkampagne war: Die erwartbare Politik einer neuen Rotgrün geführten Bundesregierung (mit Hepatitis L) wird den Stimmenanteil der Linken bei der nächsten Bundestagswahl verfünffachen! Abgesehen davon, dass die Linke ab sofort vier Jahre lang die Oppositionsrolle alleine spielen darf, ohne von einer anderen Partei darin gestört zu werden.
Fazit: Ein Wähler, der sich derart gravierende Wahlschnitzer erlaubt, hat das Recht auf die politische Mitwirkung der Parteien an seinem Wahlzirkus verwirkt und wird zu vier Jahren politischer Untätigkeit verurteilt.
Gabriel Josipovici © Ewart Reder
Mittwoch, 6. Oktober von 15 – 16 Uhr
Einer leicht phantasielosen Begrifflichkeit zufolge leben wir in der Postmoderne. Davor lebten wir in der Moderne. Das Einzige, was unsere Epoche mit ihrem Namen über sich aussagt, ist also, dass sie nicht mehr „modern“ ist. Und wer sich mit den Begriffen beschäftigt, stellt fest, dass dahinter zwei Programme stehen. Die Moderne gilt heute als utopisch, engagiert, revolutionär und einfacheren Gemütern auch als ’schwierig‘. Dagegen wollte die Postmoderne eine neue Leichtigkeit setzen. Anything goes. Close the gap and cross the border. Mit diesen Parolen wollte man den Unterschied zwischen Kunst und Unterhaltung (vgl. unser Septemberthema) zuschütten, um eine neue Massenkultur (die Popkultur) zu schaffen. Bei vielen interessanten Ergebnissen des Projekts fällt auf, dass die Literatur seitdem vor allem eins geworden ist: konventioneller. „Pappmascheeromane“ nennt der Protagonist von Gabriel Josipovicis Roman „Wohin gehst du, mein Leben?“ die Bücher, mit deren Übersetzung er sein Geld verdient.
Womit der Gegenstand unserer heutigen Sendung benannt ist: Gabriel Josipovici. Der britische Autor hat, weitgehend unbemerkt von der deutschen Leserschaft, eine lange Reihe meist kurzer Romane geschrieben. Und die sind unverdrossen modern. Josipovici veröffentlichte auch ein längeres Essay, das nach den Gründen fragt, warum das moderne Literaturprogramm von den meisten Autor:innen verlassen wurde: „What Ever Happened to Modernism?“. Wir werden uns in einer späteren Sendung damit befassen. Heute geht es um „Wohin gehst du, mein Leben?“, den aktuell einzigen Josipovici-Roman , der auf deutsch lieferbar ist (Jung&Jung). Sowie um zwei weitere Romane des Meisters, auf englisch erhältlich. WW-Redakteur Ewart Reder und sein Gesprächspartner Axel Dielmann, Verleger und Schriftsteller aus Frankfurt, outen sich als Josipovici-Gourmets und -Fans. Im Gespräch über drei seiner Romane wollen sie das Geheimnis des literarischen Einzelgängers anfassbar machen. Wenige Tage vor der Buchmesse sind außerdem spannende Neuigkeiten aus dem Axel Dielmann – Verlag zu erwarten. Many things, go!
Seit 18 Jahren lebe ich in Maintal bei Frankfurt. Wer jetzt fragt „welches Frankfurt?“, den lachen wir aber mal alle aus, ODER? Nee, MAIN! Mit 18 Jahren ist der Maintaler Persönlichkeitsanteil von mir volljährig. Hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht über mich. Und sagt: Mir bleibe hier wohne (falls die Frau einverstanden ist)….
Ein Wunder ist geschehen und ein Mann wird es erleben. Dank sei dir o Herr.
Einmal im Jahr fahre ich nach Berlin. Der Grund ist: Ich wurde dort geboren. Zwanzig Jahre lang. Zwanzig Kilometer näher an Frankfurt liegt Paris, aber dort wurde ich leider nicht geboren. Also Berlin. Für mich kommt Berlin wie Weihnachten: alle Jahre wieder. Warum ich mit Stolz ein Fremder bin in…
Der Klimawandel ist das größte Problem, das wir haben. Sagt meine Frau und klingt wie eine Schuhverkäuferin. Ich will ja auch kein größeres. Ich bin zufrieden mit dem Klimawandel. Eine Lösung weiß ich nicht und ins Schwitzen bringt mich das Problem auch. Ich finds nur nicht mein größtes, sage ich….
© Ewart Reder
Mit vollen Taschen
kannst du nicht betteln
weiß die Liebe
Das neue. Mein achtes.
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Persönliche Bitte: Kauf nicht(s) bei amazon; amazon tötet die Kultur in allen ihren Formen.
Unabhängige Verlage kämpfen mit dem Buchrücken zur Lagerwand. Jedes Buch, das es aus dem Lager schafft, rettet ein Glück, das wir nirgendwoanders finden.
Mein Professor kennt
nicht alles was ich kann
mit Wissenschaftlern
Bei meinem Sohn liegen die Zahnhälse blank. Und bei mir die Nerven, weil: Der Zahnarzt traut sich nicht, meinem Sohn die Ursache für Zahnfleischschwund zu verraten. Mir glaubt der Sohn eh nichts. Also wer sagt es ihm? Ich habe Kolumbus gebeten. Der kennt sich aus. Und den Namen könnte mein…
© Ewart Reder
Sendetipp von Radio X, Ffm:
Mittwoch, 2. Juni von 15 – 16 Uhr
Noch einmal ist Hölderlin zu Gast bei den WortWellen. Wir dokumentieren eine Veranstaltung der Frankfurter Hölderlinwoche im September 2020, – die ein Monument des VeranstalterInnenmuts vor der dritten C19-Welle war, Hoffnungszeichen für einen wiedereinsetzenden Herzschlag der öffentlichen Kultur. Professor Luigi Reitani, Universität Udine, fragt nach frühromantischen Beziehungen des Solitärs Hölderlin. Wer das für ein akademisches Thema von gestern hält, dem hält Tim Leberecht in der Süddeutschen Zeitung vom 14. September 2015 Folgendes entgegen: “Die total technisierte Gesellschaft braucht Romantik. Mit Algorithmen und Apps wollen wir unser Leben verbessern. Doch dieser Optimierungswahn entzaubert unsere Welt.” Es sei denn, wir erleben folgendes Kunststück: Ein Gelehrter, der unsere Sprache wie blank geputztes Tafelsilber benutzt, rückverzaubert uns mithilfe des Verstandes.
Livestream des Senders: www.radiox.de/live
© Ewart Reder
Und ich glaube:
Wir sind eins
und wir sind heilig.
Xavier Rudd
Sendetipp von Radio X, Ffm:
Mittwoch, 5. Mai, 15 – 16 Uhr
Heute kriegt unsere Sendung Besuch von einer etwas merkwürdigen Frau. „Die Nachmittagsfrau“ nennt sie sich, behauptet, die Redaktion zu kennen. Darum dürfe sie im Radio sprechen und genau das hat sie heute vor. Wir sind schon etwas nervös. Aber wir lassen uns drauf ein. Schließlich sind wir eine innovative Literatursendung, da darf so was mal passieren. Seid mit dabei – dann sind wir nicht so allein mit dem Unerhörten! Entfernte Ähnlichkeit hat „die Nachmittagsfrau“ übrigens mit der Bamberger Schauspielerin Rebekka Herl (s. Foto), die im Sommer – Corona willing – ein tolles Stück mit auf Tournee nimmt: Emmas Glück. Näheres erfahrt ihr hier: https://theatersommer.de/programm/schauspielundkomoedie/emmas-glueck
Livestream des Senders: radiox.de/live
Ich habe mir heute Handschuhe bestellt. Zum 1. M a i – das muss man sich mal vorstellen. Aber ich habe keine mehr. Warum nicht? Sag ich nicht. Ist mir peinlich. Frag meine letzten Exhandschuhe, die wissen alles über das Thema: Der Mann kauft sich uns, wie andere Wildschweinfutter kaufen….