• BeatNet

Endlich in einer Beziehung: Schweden

Heute kreist die Wahrheitsdrohne über Schweden, dem jüngsten NATO-Mitgliedsland. Alles ist anders, zweihundertzehn Jahre Neutralität sind beendet, demnächst vielleicht zweihundertzehn Jahre Frieden.

Auf jeden Fall die Pressefreiheit. Ein neues Gesetz stellt alles unter Strafe, was als Unterstützung des Terrorismus gelten kann. Bei der Definition hilft der neue Partner Türkei. Im Gegenzug erhält er schwedische Waffen nebst Unterstützung bei der „Terrorismusbekämpfung“. Dafür gibts die NATO-Mitgliedschaft für Schweden, wofür die Türkei wiederum US-Kampfflugzeuge bekommt, demnächst als Dauergäste im nordsyrischen Luftraum erwartet, den die USA offiziell überwachen. Am Boden zieht Schweden dort die Unterstützung zurück, die es zivilen Kräften erst vor knapp zwei Jahren zugesichert hatte.

Schwedisch-türkischer Honeymoon, da ist ein Blick auf den neuen Partner erlaubt. Seit drei Monaten fliegt er eine Offensive nach der anderen auf das Gebiet der Demokratischen Kräfte Syriens, kurdisch Rojava. Im November zerstörten türkische Drohnen das Gasverteilungszentrum Siwêdiyê, das einer Region mit einer Million Einwohnern Strom lieferte. Im Januar brachte ein weiterer Drohnenangriff die Stromversorgung in neun Städten und zweitausendzweihundertzweiundreißig Dörfern weitgehend zum Erliegen. „Mitten im kalten Winter“, heißt es im Kirchenlied. Schulen, Krankenhäuser, die Treibstoff- und Grundversorgung der Bevölkerung wurden angegriffen, etwa eine Mühle, die täglich eintausend Tonnen Mehl produziert hatte. Anfang Februar beschossen türkische Drohnen Zivilschutzeinheiten in Qamişlo, eben damit befasst, neu entstehende IS-Strukturen in dem mit fünfundfünfzigtausend Insassen größten Internierungslager für ehemalige IS-Kämpfer und ihre Familien auszuheben. Tage später wurde ein Rehabilitationszentrum für Kriegsversehrte in Nord- und Ostsyrien bombardiert. Dort starben Menschen, die im Kampf gegen den IS verwundet worden waren und sich auf einen Wechsel in zivile Berufe vorbereiteten. Die ständigen Luftangriffe, speziell die auf Bewacher von IS-Gefangenen, können dazu führen, dass Letztere sich massenhaft befreien, ist vor Ort zu hören. Es wäre Absicht. Die Türkei ist de facto verbündet mit dem Satanischen Staat, wie die Kopfabschneider zutreffender heißen sollten. Sie wird dabei gedeckt von einem Bündnis, das Erdogans Definitionen kritiklos übernimmt. NATO-Generalsekretär Stoltenberg  2017: „Bedenken Sie bitte, dass kein anderes NATO-Land so stark von Terroristen angegriffen (sic) wurde wie die Türkei.“

Glückwunsch, Schweden, dein Neuer ist ja richtig sympathisch! Und passt so gut zu dir. Wie, du bist liberal und er nicht? Mal langsam. Er gründet bald eine „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (DAVA) bei dir wie in Deutschland. Die räumt mit der „Gender-Ideologie“ auf und ist offen für alle Muslime, freu dich drauf. Deine Schwedendemokraten sind Nationalisten, er auch. Deine Köttbullar heißen Köfte bei ihm und schmecken sogar. Dein Stahl findet Verwendung in seinem Wahrzeichen, dem Dönerspieß. Er trinkt gern Schnaps, aber heimlich, genau wie du mit deinem verklemmten Alkoholgesetz. Glaubst du nicht? Guck dir den Präsidenten an, die Augenringe, der Teint, der glasige Blick sagen wohl genug. Pornographie verkaufst du da besser als zu Hause, bei all den Vorhängen, Umhängen, Vorhängeschlössern an den Frauen der Notbehelf für die Machomännchen. Was in den tausend Zimmern des Präsidentenpalasts abgeht, willst du gar nicht wissen. Der Präsident weiß es selbst nicht mehr. Und komm, religiös warst du auch immer, sektenreich und verschwurbelt, wenn man deinen Dichtern von August Strindberg bis Per Olov Enquist glauben darf. Lies Orhan Pamuk und du siehst in hundert Spiegeln dein religiös-sentimentales, vor Selbstliebe aufgeplatztes Frömmlergesicht. Nein nein, mit Islam oder Christentum hat das nichts zu tun. Das ist einfach nur unangenehm.

Und wenn du noch immer zweifelst – er hat Drohnen! Lass es dir von einer Drohne sagen: Dein neuer Freund ist der größte Drohnenproduzent und -verkäufer weltweit. Seit 2021 haben fünfzehn Länder Bayraktar-TB2-Drohnen bei ihm gekauft. Ein weiteres Dutzend Länder hat bestellt und wartet. Die meisten Kunden setzen die Waffe innerhalb der eigenen Grenzen ein, gegen ihre Bevölkerung. Greif zu, vielleicht kriegst auch du mal Ärger mit den Schwed:innen, zum Beispiel wenn sie merken, was deine Aufrüstung kostet. Du fragst nach einem Beispiel für den intranationalen Einsatz von Bayraktar-Drohnen? Ich gebe dir eins: die Ukraine. Am 26. Oktober 2021, vier Monate vor dem gern „unprovoziert“ genannten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands, setzte die Ukraine erstmals eine Bayraktar TB2 gegen Stellungen im abtrünnigen Donbass ein. Honi soit qui mal y pense? Ich denke: Dein neuer NATO-Freund weiß genau, was er tut. Vom wenig später ausgebrochenen Ukrainekrieg profitiert er dreifach: als „Vermittler“, als Waffenhändler, vor allem aber mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Nordsyrien, für den die (ab)gelenkte Öffentlichkeit gerade keine Zeit und kein Interesse hat.

Friede den nordsyrischen Hütten! Friede auch dem Präsidentenpalast – wenn er nur zu der türkisch-kurdischen Aussöhnungspolitik zurückkehren wollte, die bis Juli 2015 erfolgreich von Erdogan getestet wurde.

Schreibe einen Kommentar